Mastbruch-Projekt

Mastbruch-Projekt (abgeschlossen): Von März 2010 bis Juni 2011 sollte eine Pilotstudie klären, ob eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Befindens der Anwohner, die im Umkreis einer neu errichteten Basisstation einer erhöhten Strahlung ausgesetzt sind, zuverlässig erfasst werden kann. Die kleine Studie hat klar die Bedingungen aufgezeigt, welche erfüllt sein müssen, um dieses Ziel in einem umfassenderen Forschungsvorhaben zu erreichen.

Die Bundesregierung ist nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz davon überzeugt, dass die Bevölkerung durch die Hochfrequenzstrahlung der Basisstationen keinerlei gesundheitlichen Risiken ausgesetzt ist, da die bestehenden Grenzwerte nicht nur eingehalten, sondern sogar weit unterschritten werden. Trotzdem wächst in Teilen der Bevölkerung stetig die Sorge, dass die Gesundheit durch die Strahlung geschädigt werden könnte.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Frage eines möglichen Gesundheitsrisikos durch die Strahlung von Basisstationen sind insgesamt dürftig. Aufgrund des aktuellen Forschungstandes erscheint deshalb eine Entwarnung genauso wenig berechtigt wie die Behauptung, die krankmachende Wirkung der Strahlung sei bereits bewiesen. Hinzu kommt das weitgehend ungelöste Problem der Elektrosensibilität, an der bis zu 5% der Bevölkerung leiden. Auf diese Gruppe wird keine Rücksicht genommen.

2010 bot sich kurzfristig die Gelegenheit, in Mastbruch (Ortsteil von Paderborn) eine größere Zahl von Personen im Umfeld einer Basisstation sowohl vor als auch nach Inbetriebnahme zu untersuchen. Wir haben in enger Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative Gegenwelle e.V. eine Pilotstudie durchgeführt, deren Beginn wir mit eigenen Mitteln sicherstellen konnten. Diese Studie sollte die Voraussetzungen für ein umfassenderes Forschungsvorhaben schaffen, dessen Ergebnisse dann eine zuverlässige Abschätzung der gesundheitlichen Risiken im Umfeld von Basisstationen gestatten.


Berichte

Im März 2010 informierten Prof. Franz Adlkofer (Stiftung Pandora), Dr. H.-Peter Neitzke (Ecolog-Institut, Hannover) und Prof. Wilhelm Mosgöller (Krebsforschungsinstitut der Medizinischen Universität Wien) ungefähr 70 versammelte Bürger und Bürgerinnen vor Ort über den Beginn der Studie (erste Untersuchung vor Inbetriebnahme der Basisstation).

Im März 2011 wurde – nach Inbetriebnahme der Basissation – eine zweite Untersuchung durchgeführt und im Juni 2011 informierten Prof. Franz Adlkofer, Dr. H.-Peter Neitzke und Dr. Voigt (beide Ecolog-Institut) sowie Prof. Wilhelm Mosgöller di ca. 45 versammelten Bürger und Bürgerinnen vor Ort über den Abschluss der Studie.

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Berichte im EMF-Monitor

Neitzke HP, Voigt H: Pilotstudie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die Hochfrequenzstrahlung von Mobilfunkbasisstationen: Zwischenergebnisse des Mastbruch-Projekts, Teil 1. EMF Monitor 17(3), Juni 2011

Mosgoeller W, Kundi M, Adlkofer F: Pilot-Projekt Mastbruch – Prüfung eines Studiendesigns zur Begleitung der Errichtung eines Mobilfunkmastens unter Einbindung der Bevölkerung. EMF Monitor 17(5), Oktober 2011


Danksagung

Wir danken den Anwohnern von Mastbruch für ihre Teilnahme, der Bürgerinitiative Gegenwelle e.V. für ihre organisatorische Unterstützung und allen Spendern für ihre Bereitschaft, diese Pilotstudie zu unterstützen.


Mastbruch: Projektbeschreibung

Vorerst werden mehrere 100 Personen, Kinder ebenso wie Erwachsene, über zwei Jahre hinweg bezüglich ihrer gesundheitlichen Entwicklung unter Beobachtung stehen. Eine erste Untersuchung ist vor Inbetriebnahme der gerade fertig gestellten Basisstation vorgesehen, weitere Untersuchungen sollen dann innerhalb der nächsten 24 Monate durchgeführt werden. Im Einzelnen ist vorgesehen:

Messung und Dokumentation der Exposition der Bevölkerung im Untersuchungsgebiet vor und nach Inbetriebnahme der Basisstation durch das Ecolog-Institut Hannover
Die Messpunkte werden so ausgesucht, dass typische Konstellationen erfasst werden. Nach Inbetriebnahme der Anlage werden in den Wohnungen aller an der Pilotstudie teilnehmenden Personen Messungen durchgeführt, um festzustellen, ob sie stark oder gering exponiert sind. Außerdem sollen nach Möglichkeit auch die Expositionen während Aufenthaltszeiten außerhalb der Wohnung erfasst werden.

Erfassung von subjektiven Beschwerden mittels eines Fragebogens
Der Fragebogen, der 36 verschiedene Symptome beinhaltet, wird möglichst von allen Anwohnern von Mastbruch vor Inbetriebnahme der Basisstation und bei den nachfolgenden Untersuchungen ausgefüllt. Für die Auswertung der Fragebögen ist das Institut für Umwelthygiene an der Medizinischen Universität Wien (MUW) zuständig.

Erfassung biologischer Parameter
a) Zur Bewertung der Gentoxizität wird der Kleinkerntest an Zellen der Wangenschleimhaut durchgeführt. Die Zellen werden den Teilnehmern bei jeder Untersuchung durch einen einfachen Abstrich entnommen. Die Durchführung des Testes erfolgt durch das Institut für Krebsforschung und die Auswertung durch das Institut für Umwelthygiene, beide MUW.
b) Zur Bewertung der Gentoxozität werden in menschlichen Lymphozyten und/oder Fibroblasten, die bei jeder Untersuchung durch Blutentnahme oder Biopsie gewonnen werden, zusätzlich die DNA-Reparatur-Foci bestimmt. Mit dieser hochempfindlichen neuen Methode können DNA- Doppelstrangbrüche erfasst werden. Die Auswertung des Testes erfolgt durch das Department of Genetics, Microbiology and Toxicology an der Universität Stockholm, die weitere statistische Bearbeitung durch das Institut für Umwelthygiene an der MUW.
c) Die Messung der antioxidativen Kapazität im Serum der Teilnehmer erfolgt in der Vorstellung, dass diese nach einer langzeitigen Stressexposition wie sie theoretisch im Umfeld einer Basisstation bestehen könnte abnimmt. Eine erniedrigte antioxidative Kapazität bei erhöhtem oxidativen Stress ist korreliert mit Befindlichkeitsstörungen bis hin zu verschiedenen Erkrankungen. Die Durchführung des Testes erfolgt durch das Institut für Krebsforschung, die weitere statistische Bearbeitung durch das Institut für Umwelthygiene, beide an der MUW.
d) Es ist beabsichtigt, von jedem Teilnehmer eine Blutprobe nach dem modernen biomedizinischen Kryo-Verfahren tiefgefroren aufzubewahren, um später Tests wie den RNA-Mikroarray nachzuholen. Der Forschung künftiger Jahre stünde damit eine wertvolle Probenbank zur Verfügung, die Untersuchungen mit den Methoden ermöglichte, die sich heute erst in der Entwicklung befinden.

Folgende Wissenschaftler nehmen an der Pilotstudie teil
Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, Stiftung Pandora, Berlin
Dr. Peter Neitzke, ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung gGmbH, Hannover
Prof. Dr. med. Wilhelm Mosgoeller, Institut für Krebsforschung, Medizinische Universität Wien
Prof. Dr. med. Michael Kundi, Institut für Umwelthygiene, Medizinische Universität Wien
Dr. Igor Belyaev, Department of Genetics, Microbiology and Toxicology, Universität Stockholm


Mastbruch: Abschluss

Einführung

Prof. Adlkofer stellt zunächst fest, dass der internationale Stand der Forschung sich gegenüber dem Vorjahr kaum verbessert hat. Insbesondere ist die Frage der Auswirkungen der von Basisstationen ausgehenden Strahlung auf die Bevölkerung trotz einiger neuer Studien nach wie vor ungeklärt. Er berichtet über die Ende Mai 2011 erfolgte Einordnung der hochfrequenten Strahlung durch die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO als „möglicherweise krebserregend“. Mit dieser Entscheidung, die auf dem Votum von 30 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt beruht und im Wesentlichen mit den Ergebnissen epidemiologischer Forschung bei langjährigen Nutzern von Mobiltelefonen begründet wird, hat sich die IARC über die Meinung anderer nationaler und internationaler Organisationen zum Schutz der Bevölkerung vor dieser Art der Strahlung hinweggesetzt. Dies kommt der Aufforderung an den nationalen und internationalen Strahlenschutz gleich, die Aufgabe im Interesse der Menschen ernster als bisher zu nehmen. Bei der IARC-Abstimmung gab es nur eine Gegenstimme, die ausgerechnet von einem Mitglied der deutschen Strahlenschutzkommission (SSK) kam. Dem Leiter des Ausschusses Nichtionisierende Strahlen der SSK war die Mitarbeit in dem Gremium wegen seiner Industrienähe von Anfang an verweigert worden. Bei dieser Sachlage dürfte sich der deutsche Strahlenschutz zwar nicht das Vertrauen der Bevölkerung, aber umso mehr die Anerkennung der Mobilfunkindustrie erworben haben.

Beim Blick in die Zukunft wagt Prof. Adlkofer die Aussage, dass die jetzige Einordnung der Hochfrequenzstrahlung als „möglicherweise krebserregend“ innerhalb von 10 Jahren von der IARC auf „wahrscheinlich krebserregend“ erweitert werden wird und dass nach weiteren 10 Jahren ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Hochfrequenzstrahlung und Krebs beim Menschen bewiesen sein wird. Natürlich stellt sich bei dieser Sachlage die Frage nach den Konsequenzen für Menschen, die – gleichgültig ob sie zusätzlich das Mobiltelefon benutzen – täglich über 24 Stunden der Strahlung von Basisstationen ausgesetzt sind. Ob krankhafte Veränderungen auftreten, ist zum einen abhängig von der Strahlendosis, die aufgenommen wird, und zum anderen von der individuell sehr unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeit des Menschen, mit dieser Belastung umzugehen. Das Mastbruch-Projekt soll als Pilotprojekt helfen herauszufinden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um diese Zusammenhänge mit Aussicht auf Erfolg klären zu können. Dass diese Pilotstudie, deren Notwendigkeit außer Frage steht, überhaupt zustande gekommen ist, dafür dankt Prof. Adlkofer der Bürgerinitiative Gegenwelle und insbesondere ihrer Vorsitzenden Frau Ellen Zajonz sowie den Bürgern von Mastbruch, die sich zur Teilnahme an der Untersuchung entschlossen haben.

Ergebnisse

a) Zunahme der Strahlenbelastung zwischen März 2010 und März 2011 (Dr. Voigt)
Vor der Aktivierung des Mastes im März 2010 lagen die Mittelwerte in den Wohnungen ohne Innenquellen (WLAN, DECT) bei 2,7 µW/m2. Im März 2011 waren sie mit 384,0 µW/m2 etwas mehr als 100-mal so hoch. Die Höchstwerte stiegen im gleichen Zeitraum auf 1012 µW/m2 an. In Räumen, in denen WLAN- und/oder DECT-Anlagen aktiv waren, wurden Immissionen von der gleichen Größenordnung wie durch den neuen Mast festgestellt. Während der Nutzung eines Mobiltelefons ist die Exposition der betreffenden Person um ein Vielfaches höher. Nach Aktivierung des UMTS-Anteils der Basisstation, die bis jetzt nicht erfolgt ist, wird die Immission in ihrem Umfeld ebenfalls weiter ansteigen [siehe dazu: Neitzke HP, Voigt H (2011) Pilotstudie zur gesundheitlichen Beeinträchtigung durch die Hochfrequenzstrahlung von Mobilfunk-Basisstationen: Zwischenergebnisse des Mastbruch-Projektes. Teil 1. EMF-Monitor 3/11].

b) Ergebnis der Fragebogenaktion (Prof. Mosgöller)
Die Auswertung der Fragebögen, abgegeben von 96 Personen, die an den beiden Untersuchungen teilnahmen, ergab, dass sich das Befinden der Betroffenen nach Inbetriebnahme der Basisstation signifikant verschlechtert hatte. Dieser Trend ist bei Frauen besonders auffällig. Auffällig ist dabei insbesondere, dass dies vor allem solche Symptome betrifft, wie sie in einer Reihe von Studien mit der von Basisstationen ausgehenden Strahlenbelastung in Verbindung gebracht werden. Aufgrund der Selektion, die bei der Zusammensetzung des Studienkollektivs unvermeidlich war, erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, daraus irgendeine verlässliche Schlussfolgerung zu ziehen.

c) Ergebnis des FRAS-Tests (Prof. Mosgöller)
Mit dem Free Radikal Analytical System (FRAS) können im menschlichen Organismus vorhandene freie Radikale und die antioxidative Kapazität zum Schutz vor freien Radikalen bestimmt werden. In der Pilotstudie beschränkten wir uns auf das Messen der Konzentration freier Radikale, deren Erhöhung nach allgemeiner Auffassung für das Auftreten von Stresssituationen spricht. Das Ergebnis der Auswertung der Messdaten von 70 Personen, die an den beiden Untersuchungen teilnahmen, zeigt weder bei Frauen noch bei Männern eine relevante Veränderung der Konzentration freier Radikale, die Folge der erhöhten Strahlenexposition sein könnte.

Wie bei einer Pilotstudie auch nicht zu erwarten, erlauben die bisherigen Ergebnisse keine Aussage über mögliche gesundheitliche Folgen des Anstiegs der Strahlenbelastung nach Inbetriebsetzung der neuen Basisstation. Festzustellen ist dabei, dass die Zunahme der Strahlungsintensität bisher relativ gering ist. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass das UMTS-System entgegen der ursprünglichen Ankündigung des Mobilfunkbetreibers noch nicht aktiviert ist.

Der Verlauf der Pilotstudie hat gezeigt, dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine komplexe Hauptstudie geschaffen werden können. Allerdings bedarf der ursprüngliche Plan zur Erfassung der Strahlenbelastung und ihrer möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Bevölkerung einiger entscheidender Änderungen. So hat sich gezeigt, dass die Strahlenbelastung der einzelnen Studienteilnehmer unabhängig von der Exposition durch die neue Basisstation sehr verschieden ist. Der Grund dafür ergibt sich aus der Tatsache, dass es im täglichen Leben kaum noch strahlenfreie Bereiche gibt und dass deshalb mögliche gesundheitliche Auswirkungen einer Strahlenbelastung keineswegs durch Messung der von einer Basisstation ausgehenden Strahlung erfasst werden können. Dies muss in einer Hauptstudie durch eine entsprechende Änderung des Studienplans berücksichtigt werden.