Die Mobilfunkforschung vor Gericht – Teil 1
Gerichtliche Auseinandersetzung zischen Professor Adlkofer und der Süddeutschen Zeitung.
Rechtsprechung, die sich an den Interessen der Politik orientiert, gefährdet die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland
Die Mobilfunkforschung vor Gericht – – TEIL 1
Von Franz Adlkofer – aktualisiert am 25.01.2022
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Zusammenfassung
In der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Professor Franz Adlkofer und der Süddeutschen Zeitung (SZ) geht es u dass elektromagnetische Felder, darunter auch die Mobilfunkstrahlung, in isolierten menschlichen Zellen unter anderem Genschäden verursachen können. Die Beklagte veröffentlicht am 12.07.2011 in Zusammenarbeit mit einem Lobbyisten der Mobilfunkindustrie einen Artikel mit dem Titel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“. Darin wird behauptet, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie „so“ allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten. Dieser Satz ist wahrheitswidrig, weil die Ergebnisse unter Verwendung verschiedener Methoden, aber auch mit derselben Methode wie in der REFLEX-Studie, inzwischen bestätigt worden sind. Für den Kläger ist deshalb das Wörtchen „so“ eine bedeutungslose journalistische Floskel, mit der die wahre Absicht der Beklagten, mit dem Artikel die REFLEX-Ergebnisse als fragwürdig darzustellen, verschleiert werden soll. Nach Auffassung der Beklagten ist der Satz mit dem Wörtchen „so“ jedoch wahr und Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch sind, gar nicht betroffen, da sich das „so“ ausschließlich auf die Methodik der Reproduktion der Ergebnisse bezieht. Dass mit dem streitgegenständlichen Artikel die REFLEX-Ergebnisse insgesamt in Zweifel gezogen werden, vermag die Beklagte nicht zu erkennen.
Das Landgericht Hamburg sieht wie der Kläger in dem angegriffenen Satz ein Täuschungsmanöver der der Beklagten, mit dem die offensichtliche Absicht, die Ergebnisse der REFLEX-Studie in Misskredit zu bringen, verdeckt werden soll. Die bisherige ausschließlich negative Berichterstattung der Beklagten über die REFLEX-Studie lässt eine andere Erklärung überhaupt nicht zu. Nach Auffassung des Landgerichts kann bei den Lesern des Artikels nur der Eindruck entstehen, dass auf die REFLEX-Ergebnisse wohl kein Verlass ist. Am 10.01.2013 verurteilt es die SZ auf Unterlassung der Behauptung, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten. Das nach Meinung der SZ entscheidende Wörtchen „so“ ignoriert das Landgericht mit der Begründung, dass der Sinngehalt des Artikels mit und ohne dem „so“ derselbe ist. Den Lesern wird nämlich nirgendwo im Text vermittelt, dass es bei verschiedenen Studien Unterschiede in der Methodik gegeben hat. Ihnen kann sich folglich die Frage, ob die mit der REFLEX-Studie veröffentlichten Ergebnisse unter Anwendung eines identischen Versuchsaufbaus reproduziert worden sind oder nicht, überhaupt nicht stellen. Am 18.01.2013 legt Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.
Am 23.04.2019, sechs Jahre später, findet vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg die Anhörung der Parteien statt. Der anwaltliche Vertreter der Beklagten erklärt zu Beginn unaufgefordert und wie auf Bestellung: „Die Süddeutsche Zeitung wollte nicht und will nicht behaupten, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie falsch seien. Noch weniger wollte oder will sie behaupten, dass Franz Adlkofer ein Fälscher sei.“ Des Klägers Vorschlag, auf der Grundlage dieser Erklärung das Verfahren mit einem Vergleich zu beenden, wird zurückgewiesen. Diese vermutlich bestellte Ehrenerklärung, die – wie sich später herausstellt – zur Absicherung des Urteils benötigt wird, beruht jedoch auf einem Missverständnis. Sowohl die Beklagte als auch das Oberlandesgericht gehen davon aus, dass die Studien aus der Medizinischen Universität Wien, die sie als gefälscht ansehen und von der Ehrenerklärung ausgeschlossen haben, nicht zur REFLEX-Studie gehören, obwohl sie zentraler Bestandteil der REFLEX-Studie sind. Die deshalb unehrlich gewordene Ehrenerklärung tut trotzdem ihre Wirkung. Der Vorsitzende Richter weist zum Abschluss darauf hin, dass der Senat nach der Vorberatung dazu neigt, Franz Adlkofers von der Beklagten bestrittene Erkennbarkeit und Betroffenheit zu bejahen. Möglicherweise kommt es darauf aber überhaupt nicht an, weil die angegriffene Äußerung nicht mit einem Verbot belegt werden kann.
Am 04.07.2019 hebt das Hanseatische Oberlandegericht das Urteil des Landgerichts auf und weist Professor Franz Adlkofers Klage ab. Die Beklagte darf weiter verleumden. Das Oberlandesgericht erklärt als prozessual unstreitig, dass die REFLEX-Ergebnisse – wie von der Beklagten behauptet – „so“ „von anderen Labors“ bisher nicht „reproduziert“ worden seien und dass es keine Studie gebe, die mit identischer Methodik die gleichen Ergebnisse aufweist. Um zu dieser Auffassung zu gelangen, muss das Oberlandesgericht allerdings allen Überlegungen aus dem Weg gehen, die es daran gehindert hätten, den Vorgaben der Beklagten zu folgen. Dies betrifft (1) die beweisunterlegten Ausführungen des Klägers, dass die REFLEX-Ergebnisse von mehreren Labors mit verschiedenen Methoden, von zumindest zweien aber auch genauso wie in der REFLEX-Studie reproduziert worden sind, (2) die aufgrund des landgerichtlichen Urteils anzunehmende Mehrdeutigkeit des Satzes „… Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden. …“, der als eindeutig angesehen wird, da sonst das Urteil zu Gunsten des Klägers ausgefallen wäre, und (3) die insgesamt negative Berichterstattung der Beklagten über die RFEFLEX-Studie, die mit der vom 12.07.2011 lediglich fortgesetzt wird.
Was das Hanseatische Oberlandgericht bewogen hat, sein Urteil auf die fast durchwegs wahrheitswidrigen Aussagen der Beklagten zu stützen, kann nur vermutet werden. Einen Hinweis darauf liefern jedoch folgende Zeilen zum Abschluss der Urteilsbegründung: „Auf die [vom Kläger] angebotenen Beweise kommt es daher nicht an. Denn ob die in der REFLEX-Studie festgestellte Schädigung der Gene durch Hochfrequenzstrahlung inzwischen bestätigt sei, kann dahinstehen.“ Wie es aussieht, will das Oberlandesgericht, koste es, was es wolle, die Aussage vermeiden, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie – wie vom Kläger behauptet – inzwischen reproduziert und damit bestätigt sind. Der Bundesgerichtshof, der die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung annimmt, scheint dagegen keine Einwände zu haben. Damit endet der Rechtsstreit, der von 2011 bis 2020 die Justiz durch alle Instanzen beschäftigt hat, mit einem unerwarteten Erfolg der Beklagten. Die wirklichen Sieger in dieser Auseinandersetzung sind jedoch Politik und Mobilfunkindustrie, die weiterhin von der Justiz unwidersprochen behaupten können, dass die Mobilfunkstrahlung harmlos ist. Vieles spricht deshalb dafür, dass im vorliegenden Fall die Justiz zur Verteidigung von Interessen der Politik eingeschaltet worden ist. Sollte dies tatsächlich zutreffen, verletzte das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland.
Literatur
[1] http://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/QLK4-CT-1999-01574_REFLEX_ProjectSummary_final.pdf
[2] https://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/130124_Urteil_geschwa%cc%88rzt_geschwa%cc%88rzt.pdf [3] https://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/190604_Urteil-des-OLG-Hamburg_geschwa%cc%88rzt.pdf [4] https://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/200211_BGH_Beschluss_geschwa%cc%88rzt.pdf [5] https://www.profil.at/home/rufunterdrueckung-das-sittenbild-handystudien-226363 [6] https://kompetenzinitiative.com/broschueren/strahlenschutz-im-widerspruch-zur-wissenschaft/ [7] https://de.scribd.com/doc/36367737/Funkstille-uber-Strahlungsschaden [8] Thorsten Schleif: Urteil: Ungerecht. Ein Richter deckt auf, warum unsere Justiz versagt. riva-Verlag, München, 2020