Das Dilemma eines Mobilfunkindustrie-Lobbyisten im Umgang mit der Wissenschaft. Die Aushöhlung der Demokratie durch Lobbyismus.

LobbyControl – Initiative für Transparenz und Demokratie e.V. belegt mit zehn Thesen, dass Lobbyismus die Demokratie aushöhlt. Wissenschaft, Medien und die breite Öffentlichkeit stehen im Fokus von Lobby- und PR-Kampagnen. Ein Fall von Lobbyismus in seiner übelsten Form, der LobbyControls Feststellung stützt, wird im Folgenden vorgestellt.

Professor Alexander Lerchl von der privaten Jacobs University in Bremen beantragte am 30.12.2016 gegen den Autor dieses Artikels vor dem Landgericht Bremen den Erlass einer einstweiligen Verfügung, weil er sich von ihm aufgrund eines in der Zeitschrift Rubikon publizierten Interviews in seiner Ehre verletzt fühlte. Die Begründung seines Antrags, die er mit einer Versicherung an Eides statt aufwertete, lautet: „Jener Beitrag enthält Aussagen des Herrn Prof. Dr. Adlkofer, die unwahr sind und meinen Ruf als Person und Wissenschaftler nachhaltig schädigen.“ Um die ihn betreffenden Äußerungen des Autors zu widerlegen, erklärte er wahrheitswidrig: „Ich führe auch keine Verleumdungskampagne gegen die REFLEX-Studie und habe auch nicht die Geschichte erfunden, dass die im Rahmen dieser Studie zu Tage getretenen Ergebnisse gefälscht seien. Vielmehr habe ich den durch verschiedene Umstände hervor­gerufenen und u. a. durch Gutachten erhärteten Verdacht geäußert, dass die Ergebnisse der RELEX-Studie (Veröffentlichungen von Diem et al. 2005 bzw. Schwarz et al. 2008) gefälscht seien.“ Der Frage, ob es sich bei Alexander Lerchls Versicherung an Eides statt um eine strafbewehrte Falschaussage handelt, wurde damals nicht nachgegangen, weil er seinen Antrag auf Anraten des Gerichts, ohne dass es zur Verhandlung kam, wieder zurückzog.

Beim Vergleich von Alexander Lerchls Aussage in der Versicherung an Eides statt und seinen Fälschungs­behauptungen gegenüber der REFLEX-Studie ergibt sich eine Diskrepanz, die hinterfragt werden muss:

1) Alexander Lerchls seit Jahren wiederholte Fälschungsbehauptungen gegenüber der REFLEX-Studie beruhen im Gegensatz zu seiner Darstellung in der Versicherung an Eides statt nicht auf erhärtetem Verdacht, sondern auf unwahren Tatsachenbehauptungen.

2) Alexander Lerchls Vorgehen bei seinen Bemühungen um die Rücknahme von zwei REFLEX-Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur hat im Gegensatz zu seiner Versicherung an Eides statt den Charakter einer Kampagne.

Die Tatsachenbehauptungen waren die Voraussetzungen für das Erreichen seines Ziels, nämlich die Rücknahme der REFLEX-Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur. Sein bloßer Verdacht, selbst wenn er ihn als erhärtet erklärte, hätte dafür niemals gereicht. Die Form, unter der seine vielfältigen Aktionen abliefen, war die der Kampagne.

Alexander Lerchl hatte für die Verniedlichung seiner Aussage in der Versicherung an Eides statt einen triftigen Grund. Um nicht gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg zu verstoßen, das ihn 2015 die Fälschungs­behauptungen untersagt hatte, weil er den Beweis dafür schuldig geblieben war, machte er in seiner Versicherung an Eides statt aus seinen früheren Tatsachenbehauptungen einfach einen erhärteten Verdacht. Dass er sich damit der falschen Versicherung an Eides statt schuldig gemacht haben könnte, scheint ihm entgangen zu sein. Alexander Lerchl ist im Einsatz für die Interessen von Politik und Industrie, denen er seinen beruflichen Aufstieg verdankt, offensichtlich neben Anstand und Moral auch die Fähigkeit logisch zu denken abhanden gekommen. Nur so ist zu erklären, warum er von der Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung immer noch überzeugt ist, obwohl selbst eigene Forschungsergebnisse – wenn auch wider seine Erwartung –  entschieden dagegen sprechen.

Der wahre Skandal hat allerdings bei Licht betrachtet mit der Person Alexander Lerchl höchstens indirekt zu tun. Er besteht nämlich darin, dass dieser Mann von Politik und Industrie seit nahezu zwei Jahrzehnten gefördert wird, um mit Pseudoforschung die Öffentlichkeit von der Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung zu überzeugen. Hinzu kommt, dass er gleichzeitig von der für den Strahlenschutz der Bevölkerung zuständigen Politik seiner angeblichen „Expertise“ wegen als Berater benutzt wird. Wenn folglich der Politik langsam aber sicher das Vertrauen der Bevölkerung abhanden kommt, was in anderen umweltpolitischen Bereichen bereits voll im Gange ist, braucht sich darüber niemand zu wundern. Die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wie Politik und Industrie in Sachen Strahlenschutz mit ihr umgehen, ist das Ziel dieses Aufsatzes.


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Das Dilemma eines Mobilfunkindustrie-Lobbyisten im Umgang mit der Wissenschaft. Die Aushöhlung der Demokratie durch Lobbyismus.

Franz Adlkofer
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