Dt. Ärzteblatt im Dienste der Mobilfunkindustrie

Bei der Durchsicht aller Ausgaben des Deutschen Ärzteblatts (DÄ) zurück bis zum Jahr 2000 findet man zahlreiche Beiträge, die sich mit der Frage befassen, ob die Mobilfunkstrahlung ein gesundheitliches Risiko für die Menschen darstellt. Der deutschen Ärzteschaft wurde damit zumindest bis 2011 der Eindruck vermittelt, dass der Stand der Forschung entschieden gegen ein solches Risiko spreche, wenn auch letzte Zweifel nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten. Diese Vorstellung stimmt überein mit den Verlautbarungen des Informationszentrums für Mobilfunk (IZMF), das 2001 von den Mobilfunknetz-Betreibern als gemeinsames PR-Organ der Mobilfunkindustrie gegründet wurde.


Das Deutsche Ärzteblatt im Dienste der Mobilfunkindustrie. Eine Dokumentation.
Prof. Franz Adlkofer / Pandora – Stiftung für unabhängige Forschung

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Mobilfunk – eine Technik ohne Risiko für die Gesundheit der Menschen? Übersichtsarbeit.
Von Franz Adlkofer, Michael Kundi, Hugo W. Rüdiger

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Zusammenfassung

Bei der Durchsicht aller Ausgaben des Deutschen Ärzteblatts (DÄ) zurück bis zum Jahr 2000 findet man zahlreiche Beiträge, die sich mit der Frage befassen, ob die Mobilfunkstrahlung ein gesundheitliches Risiko für die Menschen darstellt. Der deutschen Ärzteschaft wurde damit zumindest bis 2011 der Eindruck vermittelt, dass der Stand der Forschung entschieden gegen ein solches Risiko spreche, wenn auch letzte Zweifel nicht gänzlich ausgeschlossen werden könnten. Diese Vorstellung stimmt überein mit den Verlautbarungen des Informationszentrums für Mobilfunk (IZMF), das 2001 von den Mobilfunknetz-Betreibern als gemeinsames PR-Organ der Mobilfunkindustrie gegründet wurde. Wie zahlreiche Beiträge im DÄ zeigen, bestand zwischen dem IZMF und dem DÄ über viele Jahre hinweg eine intensive Zusammenarbeit. Der Einfluss des IZMF auf das DÄ scheint etwas nachgelassen zu haben, nachdem 2011 die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO die Hochfrequenzstrahlung als „möglicherweise krebsverursachend“ eingestuft hat. Anstelle der bloßen Verharmlosung der Mobilfunkstrahlung trat nun ein vorsichtiges Taktieren. Diese Phase ist offensichtlich bis heute nicht abgeschlossen. Eine Abwägung möglicher Risiken der Mobilfunkstrahlung nach wissenschaftlichen Kriterien, wie sie die deutsche Ärzteschaft dringend benötigte, hat im DÄ jedenfalls bis heute nicht stattgefunden. Die Berichterstattung beschränkt sich bis heute auf die Zusammenfassung von neueren Forschungsergebnissen, die mehr oder weniger sachlich – meistens verharmlosend – kommentiert werden, wie dies auch in den sonstigen Medien geschieht.

Im Januar 2008 wollten wir, die Professoren Hugo Rüdiger und Michael Kundi von der Medizinischen Universität Wien (MUW) und ich, in einer Übersichtsarbeit mit dem Titel Mobilfunk – eine Technik ohne Risiko für die Gesundheit der Menschen? die deutsche Ärzteschaft über den Stand der internationalen Forschung informieren. Auch über den unerwarteten Ausgang der von der EU geförderten REFLEX-Studie, deren Ergebnisse auf ein gentoxisches Potenzial der Mobilfunkstrahlung hinwiesen, wollten wir berichten. Uns war zwar nicht entgangen, dass unsere Darstellung des Standes der Forschung mit der Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung, wie sie im DÄ vertreten wurde, schwerlich in Einklang zu bringen war. Trotzdem waren wir überrascht, als die Publikation unserer Arbeit abgelehnt wurde, zumal uns die Begründung substanzlos erschien. Wir konnten damals allerdings nicht ahnen, wie die Ablehnung zustande gekommen war. Um seiner Linie treu zu bleiben, benötigte das DÄ vier Gutachten, von denen eines positiv und drei negativ ausgefallen waren. Rückblickend kann es kaum einen Zweifel daran geben, dass die drei negativen Gutachten – wie Diktion und Argumente verraten – von den „Experten“ des IZMF stammten. Dass das IZMF als PR-Organ der Mobilfunkindustrie einen Auftrag zu erfüllen hat, der mit dem des DÄ so gut wie nichts gemein hat, dessen scheinen sich die DÄ-Verantwortlichen damals nicht bewusst gewesen zu sein.

Die Zusammenarbeit zwischen dem IZMF und dem DÄ beschränkte sich keineswegs auf den vorliegenden Fall. Das IZMF dürfte zumindest bis 2011 der Hauptlieferant von Informationen in Sachen Mobilfunk gewesen sein, die dann im DÄ an die deutsche Ärzteschaft weitergegeben wurden. Wie andere Presse¬organe mit guten Beziehungen zur Mobilfunkindustrie schloss sich das DÄ 2008 der Verleumdungskampagne des Alexander Lerchl, Professor an der privaten Jacobs University in Bremen und Nummer 1-Experte des IZMF, gegen die Ergebnisse der REFLEX-Studie an. Dies geschah ohne jegliche Prüfung des tatsächlichen Sachverhalts, obwohl es für das DÄ ein Leichtes gewesen wäre, im Gespräch mit den Autoren des abgelehnten Beitrags die erforderlichen Informationen auf direktem Weg einzuholen. So kam es, dass schon wenige Wochen nach der Ablehnung unseres Manuskripts im DÄ ein erster Artikel mit dem Titel Studien über Handystrahlung gefälscht? erschien. Darin wurde wiederholt, was die Medizinische Universität Wien (MUW) der Presse kurz zuvor mitgeteilt hatte. Der Rektor, Professor Wolfgang Schütz, hatte sich Lerchls Kampagne angeschlossen, um die im Rahmen der REFLEX-Studie an seiner Universität erhaltenen Ergebnisse – wer zweifelt daran – im Auftrag der Mobilfunkindustrie aus dem Verkehr zu ziehen. In einem zweiten Bericht im DÄ wenig später wurde unter dem Titel Forschungsbetrug: Daten zu Handystrahlung gefälscht aus dem Fälschungsverdacht eine Fälschungs-Behauptung. Wenn das DÄ mit der Ablehnung unserer Publikation lediglich die Vermittlung von Wissen an die deutsche Ärzteschaft verhinderte, jetzt machte es sich auch mitschuldig an der Vernichtung von Wissen.

Diesen grandiosen PR-Erfolg der Mobilfunkindustrie, der es gelungen war, mit Hilfe des IZMF das DÄ zu veranlassen, der deutschen Ärzteschaft ihre Botschaft von der Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung kundzutun, kann man nur mit Ver- oder Bewunderung zur Kenntnis nehmen. Doch Lügen haben bekanntlich kurze Beine. Anfang 2015, sieben Jahre nach Beginn seiner Verleumdungskampagne, wurde Alexander Lerchl vom Landgericht Hamburg rechtskräftig verurteilt, es bei Strafandrohung zu unterlassen, seine Fälschungsbehauptung weiter zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Für die MUW war dies der Anlass für die Entfernung der Pressemitteilungen des ehemaligen Rektors Wolfgang Schütz aus ihrem Archiv. Meine Aufforderung an das DÄ, die deutsche Ärzteschaft über diesen Ausgang des angeblichen Fälschungsskandals, zu dessen Verbreitung es maßgeblich beigetragen hatte, ebenfalls zu informieren, wurde ignoriert. Eine Anwaltskanzlei musste eingeschaltet werden, die inzwischen durchsetzte, dass die beiden diskriminierenden Beiträge aus dem Archiv des DÄ entfernt wurden. Ob das DÄ je bereit sein wird, den Schaden, den es angerichtet hat, so weit wie möglich wieder gut zu machen, bleibt abzuwarten. Doch gegenwärtig besteht wenig Hoffnung.